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Tablettenflut

 ·  ☕ 5 Minuten zum Lesen  ·  ✍️ dark*

Letzte Woche war ich wieder im Krankenhaus, diesmal als ambulanter Patient, um mir meine Rezepte abzuholen. Im Krankenhaus war die Hölle los. Ich ging zunächst direkt auf die Station, wo man mir allerdings erklärte, dass ich erst in die Patientenaufnahme müsse, damit mein Fall im Computer erfasst ist. Ernsthaft? Oh je, dort stapelten sich die Leute, als ich zuvor daran vorbei ging. Nützt aber nichts, die Bürokratie muss schließlich ihre Ordnung haben. Mittlerweile waren in der Patientenaufnahme auch nicht mehr ganz so viele Leute, das ging echt schnell dort, und von den Nummern, die noch vor mir dran waren, war die Hälfte gar nicht anwesend. Sehr praktisch.

Auf Station war ebenfalls enorm viel los. Ein Hin und Her auf dem Gang und ständig stand irgendjemand oder irgendetwas irgendjemandem im Weg, die Visite schob sich mit Aktenwagen von Zimmer zu Zimmer, die Putzfrau mit Reinigungswagen ebenso, Patienten wurden (räumlich) umgelegt, ambulante Patienten saßen auf dem Gang und warteten auf Untersuchungen und diejenigen, die aufgenommen werden sollten, mussten lange warten.

Wie angekündigt bekomme ich drei verschiedene Medikamente. Ein Breitband-Antibiotikum und zwei Tuberkulose-Antibiotika. Sie alle können heftige Nebenwirkungen haben, weswegen im Vorfeld und auch während der Behandlung weitere Untersuchungen erforderlich sind.

Die Ärztin holte mich für ein EKG. Irgendeines von den Mitteln kann irgendwas mit dem Herzen machen, weswegen man vorher ein EKG durchführen sollte. Anschließend schrieb sie den Arztbrief fertig und dann holte sie mich wieder zur Besprechung, erklärte mir die Einnahme der Medikamente und die möglichen Nebenwirkungen. Bevor es losgeht, solle ich noch einen Augenarzt aufsuchen, sagte sie mir, denn eines der Medikamente kann Sehstörungen verursachen. Wenn diese auftreten, soll ich die Einnahme sofort pausieren und einen Augenarzt aufsuchen, sonst kann das schlimmstenfalls zur Blindheit führen. Außerdem müssen einmal im Monat meine Blutwerte kontrolliert werden, denn eines der Mittel kann die Leber schädigen. Deswegen darf ich während der Therapie auch kein Paracetamol nehmen, Kopf- oder Rückenschmerzen müssen von selbst wieder gehen. Dafür färbt es Schweiß, Tränenflüssigkeit, Urin etc. rot. Und nach spätestens einem halben Jahr soll ich nochmal ein CT machen lassen. Und in einem Jahr wieder zur Bronchoskopie vorstellig werden. Uff.

Nach dem Krankenhaustermin waren wir in der Apotheke und haben die Mittel direkt geordert. Die PTA war beim Anblick des Rezepts sichtlich bemüht, ihre Kinnlade nicht allzu laut nach unten klappen zu lassen. Wie erwartet, mussten zwei der drei Medikamente erst einmal bestellt werden. So häufig kommt die Tuberkulose ja glücklicherweise nicht vor und auch die nichttuberkulösen Mykobakterien sind nicht so häufig krankmachend.

Für das Antibiotikum ging die Mitarbeiterin nach hinten und kam mit beiden Händen voller kleiner Tablettenschachteln wieder zurück. Ich dachte, die hätte sie zum Wegräumen mitgebracht, aber weit gefehlt, die baute sie vor mir auf dem Verkaufstresen auf. Jetzt war es an mir, die Kinnlade nicht allzu deutlich herunterklappen zu lassen. “Sind die alle für mich?” Ungläubiges Erstaunen. “Ja, steht hier auf dem Rezept: 7 x Azithromycin N1.” Okee. Uff, das sind eine Menge Tabletten, dachte ich. Aber weit gefehlt. “Da sind ja immer nur drei Stück drin, normalerweise nimmt man das nur drei Tage.” Ehm ja, ich soll das nun ein Jahr nehmen.

Wir nahmen noch ein Dosett mit, denn da ich jedes dieser drei Medikamente nur dreimal pro Woche nehmen soll, muss ich mir das irgendwie organisieren, damit das nicht schief geht.

Nachmittags holten wir dann die bestellten Tuberkulose-Medikamente. Das waren noch einmal vier Packungen. Von einem Mittel soll ich dreimal 1600 mg pro Woche nehmen. Die maximale Einzeldosis in einer Tablette beträgt 500 mg. Also muss ich drei 500er und eine 100er davon nehmen. Das letzte der drei Medikamente war hingegen recht langweilig, drei mal wöchentlich eine Tablette aus der Packung.

Tabletten

Das da auf dem Tisch reicht für sieben bzw. zehn Wochen. Hinzu kommen ja noch meine Betablocker, meine Inhalationskapseln und das Nahrungsergänzungsmittel fürs Herz. Früher habe ich mich immer über die vielen Pillen lustig gemacht, die meine Großeltern geschluckt haben. “Da seid ihr ja schon von den Pillen satt”, meinte ich scherzhaft beim Frühstück. Karma. ;)

Das ist meine Wochenration. Mein Dosett ist zu klein, ich brauche ein zweites.

Am Mittwoch versuchte ich dann einen Augenarzt zu finden, der bereit war, mir tief in die Augen zu gucken. Aber Dank unseres hervorragenden Gesundheitssystems gestaltete sich das ein wenig schwierig. Termine gibt es erst in einem halben Jahr wieder, das sagte mir auch schon die Ärztin im Krankenhaus und hatte nicht wirklich einen Tipp für mich. Neue Patienten werden ohnehin kaum noch aufgenommen. Die Frage, ob ich denn damit in die Akut-Sprechstunde kommen könne, wurde mir bei einem Arzt auch verneint, das sei ja nicht akut. Das finde ich zwar schon, wenn ich ansonsten meine Behandlung nicht beginnen kann, aber was weiß ich schon.

Frustriert fluchte ich herum und schwankte zwischen “Therapie nicht beginnen” und “Scheiß aufs Augenlicht”.

Der Herr Lebensabschnittsgefährte rettete mich mal wieder. Er machte eine Praxis ausfindig, die ebenfalls eine Akut-Sprechstunde hatte, und meinte, ich solle da doch noch einmal anrufen. Ich hatte zwischenzeitlich schon bei einer anderen Praxis versucht anzurufen, aber da ging gar keiner ans Telephon. Nun versuchte ich es bei dieser Praxis und hatte auch prompt eine sehr nette Mitarbeiterin dran, die meinte, das sei überhaupt kein Problem, ich solle am nächsten Morgen während der Akut-Sprechstunde vorbeikommen.

Das tat ich dann auch. Der Arzt befand meine Augen für in Ordnung und erklärte mir noch, worauf ich achten solle, falls diese Nebenwirkung auftritt. Und außerdem soll ich im Dezember noch einmal kommen, um den Augenhintergrund zu untersuchen. Das ist die Untersuchung, bei der man Tropfen zur Erweiterung der Pupillen bekommt und aussieht, als wäre man auf Droge. Dann gab er mir grünes Licht für die Therapie.

Ich habe außerdem versucht, irgendwelche Erfahrungsberichte von Leuten, die so eine Therapie schon durchgemacht haben, zu finden. Ohne Erfolg. Nicht einen einzigen Hinweis, wie es anderen während der Therapie erging, habe ich im Internet gefunden. Ich fühle mich damit ein wenig alleine in einem riesigen, dunklen Raum.

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