Ja, ich gehöre auch zu denjenigen, die sich während der Pandemie die Kunst des Brotbackens angeeignet haben. Allerdings war mein Anlass nicht zu viel Zeit und zu wenig zu tun, sondern IKEA.
Dort gab es bis Ende 2019 eine Brotbackmischung namens Brödmix Flerkorn, die wir uns dort oft und gerne gekauft haben. Das Brot war schnell gemacht und schmeckte uns sehr gut. Ein paar davon hatten wir noch auf Vorrat, als die Pandemie die Bundesrepublik erreicht hatte. Diese gingen im Sommer zuende. Wir überlegten, wie wir an Nachschub kämen, wir hatten nämlich wenig Lust, uns in die langen Warteschlangen auf dem Parkplatz einzureihen, die es letztes Jahr dort gab. So schauten wir auf der Webeite, ob man diesen Artikel vielleicht bestellen könnte, und stellten mit Entsetzen fest, dass es ihn gar nicht mehr gibt! Was tun?
Wir durchstöberten das Internet, ob denn vielleicht schon einmal irgendjemand dieses Brot erfolgreich nachgebacken hat, und fanden tatsächlich ein Rezept. Dies glichen wir mit der Zutatenliste auf der Verpackung ab. Es kam ungefähr hin. Problem: Da war von Sauerteig die Rede.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, was Sauerteig überhaupt ist. Aber kein Problem, wofür gibt es schließlich das Internet und Suchmaschinen. Na ja, Suchmaschinen gibt es ja eigentlich nicht mehr, eher Werbemaschinen, aber für solche Informationen taugen die einigermaßen. Ich tippte also “Sauerteig ansetzen” ein und klickte mich durch die Ergebnisse.
An dieser Stelle ist ein Wort der Warnung angebracht: Don’t try this at home!
Ich landete in einer mit Schmuckfarbe Rosa dekorierten Welt aus Backfluencern, unterbrochen von Frauenzeitschriften, die ich nicht einmal zum Einwickeln von Geschirr beim Umzug anfassen würde. Meine Güte! Ich habe mich schon oft gefragt, wer eigentlich die Zielgruppe ist für die jährlich neu erfundenen rosafarbenen Backutensilien, die es zu hohen Preisen in den Haushaltswarenabteilungen gibt. Offensichtlich hatte ich sie gefunden. Half alles nichts, da musste ich jetzt durch. Die Gestalten dieser Welt besaßen nun einmal Wissen, das ich nicht besaß. Viele davon haben dieses Wissen auch in YouTube-Videos festgehalten, eines davon schaute ich mir an.
Die Tante im Video erklärte ein paar furchtbar wichtige Dinge. Hygiene zum Beispiel. Es sei so super wichtig, auf Hygiene zu achten, erklärte sie, während sie mit der Gabel zum Umrühren wie eine Dirigent in der Luft rumfuchtelte. Und die Zutaten (Roggenvollkornmehl und Wasser) super korrekt abwiegen, ganz wichtig! Sie selbst müsse das aber nicht mehr machen, sie hätte mittlerweile eine Gefühl dafür, wann das Mischungsverhältnis stimmt. Dann wurden noch ganz bestimmte, natürlich teure Schraubgläser empfohlen, die man idealerweise über ihren Promolink beziehen solle, die man aber keinesfalls verschrauben soll, wenn der Teigansatz da drin ist.
Als ich damit durch war, brauchte ich dringend einen Kaffee und frische Luft. Und Roggenvollkornmehl, denn eines war klar: Was die kann, werde ich ja wohl auch noch hinbekommen. Ich rührte das Mehl mit Wasser an und tat die nächsten Tage, wie mir geheißen. So ein Sauerteigansatz muss in der ersten Zeit nämlich täglich “gefüttert”, also mit frischem Mehl und Wasser versorgt werden. Und damit er nicht so schnell in Vergessenheit geriet, bekam das neue Familienmitglied einen Namen: Gärfried.
Gärfried gedieh prächtig. Die ersten Versuche, damit ein schmackhaftes Brot zuzubereiten, waren zwar noch … na ja, aber es wurde immer besser. Hier mal eine Auswahl der Brote aus den letzten 15 Monaten, die ich nun schon Brot selbst backe. Unsere Brote heißen übrigens ausnahmslos Bernd.
Allerdings backe ich nicht nur Sauerteigbrote, da sind auch Hefebrote und Brote die beides, Sauerteig und Hefe enthalten, dabei. Aber eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind lecker.
Und auch Brötchen für Hot-Dogs und Burger backe ich mittlerweile selbst.
In der Folgezeit stellte sich zudem heraus, dass ich das selbstgebackene Brot viel besser vertrage als das gekaufte, ich habe seither viel seltener Bauchschmerzen.
Gärfried musste pausieren, als wir drei Monate im Ausland waren. Als wir fuhren, wusste ich noch nichts von einem Sauerteighotel in Stockholm. Aber ob ich das in Anspruch genommen hätte? Ich habe jedenfalls gar nicht erst versucht, den Sauerteig im Camper am Leben zu erhalten. Und das war vielleicht auch gut so, denn tatsächlich haben wir nur ein einziges Mal ein Feuer entfacht, um dann im Dutch Oven eine Pizza zuzubereiten. Die meiste Zeit war es zu warm, zu kalt, zu windig, zu motivationslos. Nach unserer Rückkehr haben wir sofort einen neuen Sauerteig angesetzt, der uns jetzt wieder zuverlässig beim Brotbacken unterstützt.
Zweimal ist das Resultat bisher misslungen. Einmal so sehr, dass das Brot nicht essbar war. Der Teig war nicht ganz durch. Das wurde dann zu Brotknödeln verarbeitet, die sehr lecker geschmeckt haben. Tja, und gestern, während ich hier schrieb, dass Hausfrau nicht der richtige Job für mich sei, verbrannte mir das Brot im Ofen …