Neulich miaute etwas laut, herzzerreißend und ziemlich penetrant im Treppenhaus. Mein Mitbewohner wollte den Geräuschen auf den Grund gehen und öffnete unsere Wohnungstür. Etwas Schwarzes huschte blitzschnell ins Wohnzimmer, was nicht unbemerkt von unserem Kater blieb, der sofort große Augen machte, zu doppelter Größe heranwuchs und zur verkörperten Revierverteidigung wurde. Um ein Blutbad zu vermeiden, schnappte ich mir Katerchen und sperrte ihn - unbeeindruckt von seinem Protestknurren und -fauchen - in die Küche. Die schwarze Katze hatte zwischenzeitlich ihren Irrtum bemerkt und lief verzweifelt, miauend, verschreckt und völlig orientierungslos in unserem Flur hin und her. Eine Frau, die vermutlich zu den neuen Nachbarn in der Wohnung über uns gehört, kam die Treppe herunter, griff sich das Kätzchen und verschwand wieder ohne ein weiteres Wort. Macht doch nichts, Frau Nachbarin, Sie brauchen sich nicht entschuldigen, das kann ja mal passieren, dass die Katze entwischt … Vor der wäre ich auch weggelaufen.
Gestern Abend, Schatzi und ich wollten uns gerade zum Abendessen setzen, klingelte es. Vor der Tür standen unsere türkischen Etagennachbarn komplett versammelt und ziemlich aufgelöst. Ob uns eine Katze weggelaufen wäre, da säße eine auf ihrem Wohnzimmerschrank. Sie hatten die Wohnungstür geöffnet und ein schwarzes Etwas, schnell wie der Blitz, war ins Wohnzimmer geflitzt, die Wand unter Einsatz der Krallen hochgerannt und saß nun laut miauend auf dem Schrank. Ob ich vielleicht helfen könne, bat die Tochter des Hauses mich, nachdem ich erklärt hatte, dass unser Kater zuhause war und wir außerdem keine schwarze Katze haben, ich kenne mich doch mit Katzen aus und sie selbst habe Angst. Die Mutter kam bereits mit einer Leiter aus den Tiefen der Wohnung und steuerte das Wohnzimmer an, welches ich hilfsbereit betrat. Was tust du hier eigentlich, fragte ich mich als ich die Leiter hochkletterte. Katzen sind dafür bekannt, sich bei ihren Rettern mit Gegenwehr und Gewalt zu bedanken. Oben angekommen blickte ich in zwei wunderschöne, grüne Augen, die mich feindselig anstarrten. Ich streckte vorsichtig die linke Hand aus um zu sehen, wie das Tier darauf reagierte. Als es kurz vor der Berührung erneut laut miaute, wäre ich beinahe vor Schreck von der Leiter gefallen. Trotz aller Befürchtungen ließ es sich jedoch streicheln und auch von mir auf den Arm nehmen und aus der Wohnung befördern.
Wie sich anschließend herausstellte, handelt es sich um einen halbstarken Kater, nicht einmal ein Jahr alt, der ständig zu flüchten versucht und jedesmal, wenn es ihm gelungen ist, sich aus Angst vor seiner eigenen Courage beinahe in die nicht vorhandenen Hosen macht. Außerdem war er nicht identisch mit dem Tier, das bereits bei uns in der Wohnung war. Offensichtlich wohnen in beiden Wohnungen der 2. Etage schwarze Katzen mit stark ausgeprägtem Freiheitsdrang. Dieser kleine Ausreißer wurde bereits seit etwa 20 Minuten vermisst und mit allen erdenklichen Leckereien aus seinem vermeintlichen Versteck zu locken versucht. Während dieser Erklärungen und Entschuldigungen seiner Besitzerin schien er sich auf meinem Arm recht wohl zu fühlen, machte auch keinerlei Anstalten zu ihr zu wollen. Fasziniert starrte er in die wütenden Augen unseres Katers, der zwischenzeitlich zusammen mit meiner neugierigen Tochter an unserer Wohnungstür erschienen war.
Die Situation drohte brenzlig zu werden. Zwar begrüßt unser Kater jeden Hund mit Begeisterung, sieht in ihnen Spielgefährten und mehr, aber Katzen verabscheut er zutiefst. Der süße Schwarze von oben wäre nicht der erste, dem er erhebliche und auch irreparable Schäden zufügen würde - gemäß dem Motto mit den anderen Göttern und so. Also verabschiedete ich mich und begab mich nun endlich mit meiner Tochter zum Abendessen. Allerdings ließ Katerchen die Sache nicht so ohne Weiteres auf sich beruhen. In den folgenden 30 Minuten schnüffelte er wie von Sinnen an meinen Händen und meinem Pullover rum. Seine sonst blassrosa Nase leuchtete dabei in knalligem Rot. Er gab erst Ruhe, als ich meinen Pullover auszog und in der Wäschetonne verschwinden ließ.
Nun sitzt er schon den ganzen Vormittag vor der Wohnungstür und hält Wache.