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Chemotherapie Part Three

 ·  ☕ 4 Minuten zum Lesen  ·  ✍️ dark*

“Ich will nicht!” Dieser Satz beherrscht gerade meinen ganzen Körper, denn heute muss ich mir schon die vierte Einheit verabreichen lassen. Da wird es Zeit für einen kurzen Rückblick auf die Nach- und Nebenwirkungen der dritten Einheit.

Als ich morgens aufstand, fühlte ich mich schon echt schlecht, zu frisch waren noch die Erinnerungen an die zweite Einheit, nach der es mir so extrem schlecht ging, dass ich kurz davor war, die ganze Sache abzubrechen.

Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir;
Manch’ bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch’ gülden Gewand.

Da ist dann auch der Erlkönig bisweilen weniger Schreckgespenst denn Option, aber das will ich hier nicht vertiefen.

Allerdings es gehört zu den Eigenarten einer solchen Behandlung, dass sich die Befindlichkeiten oftmals innerhalb kürzester Zeit ändern. Wenn man dann morgens noch rumjammert, wie schrecklich man sich fühlte, und mittags den Eindruck hat, fit wie der sprichwörtliche Turnschuh zu sein, bekommt man selbst schon fast Zweifel an der eigenen Authentizität. Um am Ende siegte dann doch wieder die Vernunft, ich würgte die Selenase in mich hinein, schluckte die Tablette gegen Übelkeit und machte mich tapfer auf den Weg in die Praxis.

Schon während das giftige Zeug in mich hinein lief, ging es los: Dieser widerliche Geruch und Geschmack von Chemie, der mich tagelang umgibt, wird mit jedem Mal unerträglicher. Fast eine Woche lang hielt das an. Alles roch und schmeckte nach Epirubicin, was mir ständig leichte Übelkeit verursachte, zusätzlich zu der ohnehin in den ersten zwei bis drei Tagen vorhandenen Übelkeit. Zudem wurde mein Geruchssinn immer empfindlicher. Es ist unglaublich, wie sehr diese Welt stinkt nach faulenden Abwässern, vergammelnder Bio-Masse, nach Abgasen, nach Chemie nach … Man kann das gar nicht alles aufzählen, es ist einfach nur widerlich!

Um die “normale” Übelkeit in Grenzen zu halten, hatte ich beim letzten Mal direkt auf feste Nahrung verzichtet und mich nur noch an Zwieback, Suppe und Kartoffeln gehalten. Das hat eigentlich ganz gut funktioniert, so hielten sich Übelkeit und Magenschmerzen in erträglichem Rahmen. Dennoch war drei Tage lang mehr oder weniger Bettruhe angesagt. Meine Geschmacksnerven waren nach der letzten Chemo auch wieder völlig in Unordnung geraten. Es gab nur wenig, das essbar schmeckte. Aber auch das relativierte sich innerhalb von 10 bis 14 Tagen wieder. Zumindest körperlich hatte ich die letzte Chemo gut verkraftet.

Natürlich gibt es nicht nur Nebenwirkungen, sondern auch Wirkung: Tristan ist schon viel kleiner geworden! Zu Beginn der Chemotherapie konnte man ihn schon sehen und direkt unter der Haut den harten Zellklumpen ohne Probleme ertasten. Mittlerweile muss man ihn suchen und auch auf dem Ultraschall ist er nicht mehr ganz so unübersehbar wir zu Beginn der Behandlung. Selbst mein Arzt ist erstaunt und hocherfreut über diese Fortschritte!

Und sie sind es letztlich auch, die mich dazu bewegen, doch weiter zu machen. Denn seit der letzten Chemo-Einheit ist weniger das Körperliche das Problem. Hier herrscht absoluter Lagerkoller. Die Stimmung sinkt bisweilen ins Bodenlose. Es geht mir auf die Nerven, nur nutzlos zuhause rumzuhängen. Das zieht so sehr runter, dass ich selbst alltägliche Dinge nicht mehr geregelt kriege und teilweise den ganzen Tag nur dumpf vor mich hin brüte. Denn auch wenn es mich körperlich diesmal nicht so sehr mitgenommen hat, bin ich trotzdem insgesamt ziemlich schlapp und konditionslos. Mein Körper ist halt mit anderen Dingen beschäftigt, das merke ich deutlich. Und alleine aus dem Haus gehen, ist für mich ein Gräuel, das ich mir nur gebe, wenn es sich nicht vermeiden lässt.

Es ist so schwer zu begreifen, dass man sich das alles antun muss, damit es einem irgendwann wieder gut geht. Zumal es mir ja gar nicht schlecht ging, als ich zum ersten Mal den Arzt aufsuchte. Ich war krank, fühlte mich aber nicht so. Jetzt werde ich gesund gemacht und fühle mich sterbenskrank. Und irgendwie muss ich meinem Gehirn und meinem Körper vermitteln, dass es das Richtige ist, was wir tun.

Heute ist wieder so ein Tag, an dem sich das Gräuel nicht vermeiden lässt. Auf in die nächste Schlacht - oder so ähnlich. Ich will nicht! Am liebsten würde ich mich auf den Boden werfen und losbrüllen. Ich will nicht!

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dark*
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dark*
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