Es ist Sonntagmorgen, kurz vor 6 Uhr und ich sitze im Wohnzimmer mit meinem Frühstück: warme Milch mit Zwieback und dazu ein warmer Kakao. Gestern gab es dieses Frühstück um 4 Uhr. Das fand sogar das Katerchen ungewöhnlich. Allerdings muss der sich schon seit Tagen auf ständig neue Situationen einstellen und ist ein wenig durch den Wind - auch eine Nebenwirkung der Chemotherapie.
Am Mittwoch hatte ich meinen zweiten Termin. Und obwohl es mir zuvor ziemlich dreckig ging, hatte ich mich halbwegs wieder berappelt. Lediglich das schwül-warme Wetter kam mir nicht so gelegen, aber irgendwas ist ja immer. Diesmal ging ich alleine, den Ablauf kannte ich ja jetzt und die Angst war nicht mehr groß. Trotzdem nahm ich mein Spezial-Frühstück nur widerwillig zu mir, wie mittlerweile alle mehr oder weniger flüssigen Medikamente.
Danach schleppte ich mich in die Praxis. Ganz wohl war mir nicht, aber dies schob ich auf das Wetter und den schlechten Schlaf der vergangenen Nacht, zumal es einer anderen Patientin, die ebenfalls an diesem Tag ihre Chemotherapie bekam, ebenso erging. Uns wurde schon von der Kochsalzlösung schwindelig.
Matschig im Kopf brachte ich die komplette Prozedur hinter mich und ließ mich nach Hause bringen. Dort legte ich mich erst einmal ins Bett und aß etwas. Dann war mir speiübel, obwohl ich in der Praxis vor der Chemo diesmal noch ein Anti-Übelkeits-Zeug mehr bekam als beim letzten Mal. Außerdem war ich völlig schlapp und mir war schwindelig. Den ganzen Nachmittag und die folgende Nacht sowie den gesamten Donnerstag verbrachte ich dösend im Bett.
Freitagmorgen schleppte ich mich notgedrungen zum Arzt zur Blutabnahme, allerdings nicht ohne Begleitung. Ich war noch so wackelig auf den Beinen, dass ich keinesfalls alleine das Haus verlassen wollte.
Seit Mittwoch ernähre ich mich von kaum etwas anderem als Zwieback, Wasser, Tee, Hühnerbrühe, Kartoffeln und ein wenig Milch. Kakao zum Frühstück ist ein Novum, das hat es noch nie gegeben, zumindest nicht mehr seit meinem 16. Lebensjahr. Die meisten anderen Lebensmittel schrecken mich schon ab, wenn ich nur an sie denke oder sie gar sehe. Ein Blick in den Kühlschrank gepaart mit der olfaktorischen Reizüberflutung, die einem entgegen schlägt, ist derzeit der beste Appetitzügler. Natürlich benötige ich gerade jetzt keine, aber wie das mit so praktischen Dingen im Leben nunmal ist, bekommt man diese ja meistens, wenn man sie gerade überhaupt nicht gebrauchen kann.
Aber es ist nicht nur der fehlende Appetit auf fast alle Lebensmittel, es ist auch mein Magen, der mir arg zu schaffen macht. Das Sodbrennen will kein Ende nehmen, besonders abends ist es schlimm. Übelkeit und Magenschmerzen wollen auch nicht ganz verschwinden. Langsam mache ich mir Sorgen, ob mein Magen die Chemotherapie bis zum Ende durchsteht. Und was wenn nicht? Schonkost bis an mein Lebensende? Ich bin mir nicht sicher, ob der Kampf gegen den Krebs dies wert ist. Morgen muss ich zur Untersuchung, nachsehen ob mein Tumor kleiner geworden ist. Wenn nicht, werde ich mir überlegen, auf welches Stück Lebensqualität ich verzichte: hübsches Dekolleté oder leckeres Essen? Warten wir’s ab.