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Versklavt

 ·  ☕ 4 Minuten zum Lesen  ·  ✍ dark*

Wenn man als ALG-II-EmpfĂ€nger in die 1-Euro-Job-Maschinerie gerĂ€t, kann man sich schnell wie ein herumgeschubster, weißer Neger fĂŒhlen: entrechtet und bevormundet.

Anscheinend war es bis Mittwochmorgen kein Problem, dass ich die Stelle halbtags antrete. Doch dann stellte sich ein RĂ€dchen der Maschine quer; dabei handelte es sich um einen dieser unsympathischen Typen bei dem Verein, der mir den Job zugewiesen hat. Seiner Meinung nach arbeite ich zuwenig, ich sollte gefĂ€lligst Vollzeit tĂ€tig sein, so wĂ€re das auch vorgeschrieben. Den Mittwochnachmittag verbrachte ich folglich am Telephon und im Internet, um mich ĂŒber die Vorschriften zu informieren und sĂ€mtliche zustĂ€ndigen Leute zu befragen, wie das denn genau geregelt sei. Nach etwa zwei Stunden des Telephonierens musste der unangenehme Typ zĂ€hneknirschend klein beigeben. Eine gesetzliche Grundlage, wie viel die Zusatzjobber arbeiten sollen, gibt es nĂ€mlich nicht.

Nun könnte ich mich ja entspannt zurĂŒcklehnen und einfach meiner BeschĂ€ftigung nachgehen, wĂ€re da nicht ein Umstand, der mir bitteres Aufstoßen verursacht. Jeder 1-Euro-Jobber soll zusĂ€tzlich zur TĂ€tigkeit auch qualifiziert werden und bekommt darĂŒber hinaus einen sozialpĂ€dagogischen Betreuer zugeteilt. Allein die Bezeichnung bringt mein Blut in Wallung. Ich brauche keine Erziehung, und schon gar nicht von dem Typen, den ich so umsympathisch finde. Denn genau dieser ist mein sozialpĂ€dagogischer Betreuer. WĂ€hrend der ganzen Telephoniererei hat er mir stĂ€ndig Worte im Mund rumgedreht und außerdem noch welche hineingelegt, die ich so nie gesagt habe.

So sprachen wir zum Beispiel darĂŒber, wie es denn nun bei meiner Stelle ĂŒberhaupt sei. Ich sagte ihm, dass ich derzeit noch nicht viel zu tun hĂ€tte, weil man an einer Terminarbeit sitze und mich noch nicht einarbeiten könne. Daraufhin fragte er bei der Einsatzstelle nach, ob es stimme, dass man fĂŒr mich keine Arbeit hĂ€tte. Als er mir das sagte, platzte mir fast der Kragen, ich versuchte aber halbwegs ruhig zu bleiben und wies ihn darauf hin, dass ich ja nur den Status quo beschrieben hĂ€tte.

Ein weiteres Beispiel ist ein Beleg fĂŒr den Mangel an Kenntnis der Feinheiten der deutschen Sprache. Ich sagte, dass es mir Spaß mache, dort zu sein und - soweit ich das bis jetzt beurteilen kann - auch die TĂ€tigkeit, die auf mich zukommt. Dies veranlasste ihn mich darĂŒber aufzuklĂ€ren, dass ich keinen Spaß haben, sondern arbeiten soll. Geduldig erklĂ€rte ich ihm, dass es ein Unterschied ist, ob man Spaß hat oder ob einem eine Pflicht nebenbei auch Spaß macht, man sie gerne macht usw. Der Typ macht mich irre.

Um nicht den ganzen Vormittag nutzlos im BĂŒro rumzusitzen empfahl er mir, meinen Arbeits-PC hochzufahren und mich mit Windows vertraut zu machen. Ich habe in den letzten fĂŒnf Jahren nichts anderes gemacht, erwiderte ich. Dann soll ich das doch nochmal machen. Will der mich eigentlich verarschen? Das einzige mir relativ unbekannte Programm auf diesem Rechner ist die Datenbank Access. Da in dieser Datenbank sĂ€mtliche Kurse und Kursteilnehmer erfasst sind, sollte ich tunlichst meine Experimentierfreudigkeit zĂŒgeln, schließlich liegen alle Daten auf dem Server und eine falsche Änderung kann fatale Auswirkungen haben.

Ein weiteres unserer Themen war der Sinn und Zweck dieses Zusatzjobs. “Sie mĂŒssen wieder lernen einem geregelten Tagesablauf nachzugehen.” Ungehalten sagte ich ihm, dass es mir nun reicht. Einen geregelten Tagesablauf habe ich durchaus, bin auch schon morgens um 6:30 Uhr aufgestanden bevor die moderne Sklaverei vom Gesetzgeber beschlossen wurde und muss das ganz bestimmt nicht lernen. Der Herr soll sich erstmal von seinen Vorurteilen frei machen, dass alle Arbeitslosen faule Schweine sind, die bis mittags im Bett liegen und nachmittags Talkshows gucken (wobei selbst das ein geregelter Tagesablauf ist).

In dem Stil verliefen die insgesamt drei Telephonate, die wir an diesem Tag fĂŒhrten.

Als Zusatzjobber hat man keinerlei Arbeitnehmerrechte und wird stets darauf hingewiesen, dass man keinen Arbeitsvertrag hat. Der zu unterzeichnende Wisch ist betitelt mit “Vereinbarung ĂŒber die Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit mit MehraufwandsentschĂ€digung gemĂ€ĂŸ § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II”. Man soll sich auch weiterhin intensiv um eine regulĂ€re BeschĂ€ftigung bemĂŒhen. Wie eigentlich, wenn man - wie verlangt - 38,5 Stunden pro Woche beschĂ€ftigt ist? Gleichzeitig fĂ€llt man aus der Arbeitslosenstatistik raus, bekommt aber Arbeitslosengeld. Wie also soll man sich da anders fĂŒhlen als ein weißer Neger?

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