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Es hört nie auf

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Es wird seltener, aber es hört einfach nicht auf, dieses merkwürdige Gefühl. Bei uns in der Nähe ist ein Standort der Freiwilligen Feuerwehr. Ich laufe jedes Mal zum Fenster, wenn ich sie ausrücken höre. Jedes Mal. Noch schlimmer ist es aber, wenn ich Brandgeruch wahrnehme. Das lähmt mich noch heute, über 20 Jahre nach dem Feuer. Und auch die Angst davor, dass so etwas noch einmal passiert, gleichwohl ich diesen Fall für äußerst unwahrscheinlich halte. Aber dennoch denke ich häufig daran, wenn wir unterwegs sind. Wenn wir im Park sind und ich die Feuerwehr ausrücken höre, schaue ich automatisch in Richtung des Hauses, in dem wir wohnen. Wenn wir auf längeren Reisen unterwegs sind, rechne ich ständig damit, dass der Vermieter anruft und uns nach Hause zurück beordert. Elektrische Geräte, die “komisch riechen” oder Geräusche machen (fiepende Netzteile z. B.), machen mich extrem nervös.

Manches davon wird in loser Reihenfolge hier veröffentlicht.

Auslösung Heimrauchmelder

An diesem Sonntag kommen wir von einer Tour zurück. Und während wir am Nachmittag mit Auspacken beschäftigt sind, geht im Treppenhaus der Rauchmelder an. Zunächst glauben wir ja wieder an einen Fehlalarm, den gibt es bei den Dingern ab und zu mal. Aber nein, es riecht ziemlich verbrannt im Treppenhaus. Ich laufe runter, um außen am Haus zu gucken, ob irgendwo Rauch aus der Wohnung kommt. An der Vorderseite finde ich nichts. Im Hof riecht es ebenfalls verbrannt, aber zu sehen ist auch dort nichts. Der Herr Lebensabschnittsgefährte hat unterdessen die Feuerwehr gerufen. Und die kommt mit großem Besteck, wie immer, wenn es in einem der Plattenbauten brennt, denn im Notfall sind da ein paar Leute zu evakuieren. Aber auch die finden nichts, weder im Treppenhaus noch bei der Sichtprüfung mit Hilfe der Drehleiter. Wir werden wohl nie erfahren, was die Ursache des Brandgeruchs war.

Mai 2023

Brand im Park

Und dann kommst du vom Paddeln nach Hause, unterwegs hörst du Einsatzfahrzeuge und siehst die Rauchwolke ungefähr da, wo dein Haus steht. Du betrittst die Wohnung und siehst gegenüber im Park die Rauchwolken aufsteigen.

Weidendom brennt

Der Weidendom brennt. Später wird sich herausstellen, dass irgendwelche Kinder heimlich dort geraucht haben und die Kippe weggeworfen hatten.

Am nächsten Morgen gingen wir wie üblich im Park spazieren und ich schaue mir das Ausmaß des Feuers an. Das Gefühl, das mich nach wie vor in solchen Augenblicken überkommt, kann ich gar nicht beschreiben. Jedenfalls werde ich immer ruhig, stehe da und gucke, fast wie andächtig, immer noch irgendwie gelähmt.

Juni 2022

Da fliegt Asche vorbei!

“Hier grillt jemand.” Eigentlich roch es mehr, als würde jemand ein Lagerfeuer im Hof anzünden. So stellte das darkinchen eine Minute später dann auch klar, dass das kein Grillgeruch ist. Sie blickte aus dem Fenster: “Da fliegt Asche vorbei!” Oh nein! Und in der Küche roch es, als würde Holz verbrennen! Bei uns im Haus ist das Treppenhaus aus Holz und im Erdgeschoss befindet sich eine Antiquitätenhandlung mit Werkstatt im Anbau. Sofort riss ich das Küchenfenster ganz auf und schaute raus, ob vielleicht die Werkstatt brennen würde, konnte aber nichts erkennen. Meine Tochter wollte ins Treppenhaus, schloß aber sofort wieder die Tür und schrie, dass im Treppenhaus Rauch sei. Sie wollte die Feuerwehr rufen, Schuhe anziehen und die Nachbarn informieren. Ach du Scheiße! Ich ging ebenfalls ins Treppenhaus, sah durchs Geländer nach unten und stellte fest, dass die eher geringe Rauchentwicklung nur bei uns oben zu sehen war, in den unteren Etagen war die Luft klar. “Moment, warte mal. Das kommt nicht hier aus dem Haus, das kommt von draußen!” Es war sinnlos, bei der Feuerwehr anzurufen, so lange wir nicht wußten, woher der Rauch kam. Meine Knie waren weich wie Pudding, ich zitterte am ganzen Körper. Dieser beschissene Brandgeruch, immer und immer wieder, es hört nie auf.

Meine Tochter hatte mittlerweile Schuhe angezogen und rannte im Treppenhaus nach unten. Dort traf sie auf die junge Frau, die zurzeit den Ladeninhaber des Antiquitätengeschäfts vertritt. Sie und der andere Angestellt waren bereits auf dem Weg in die Werkstatt, um herauszufinden, ob von dort der Brandgeruch käme. Das darkinchen rannte auf die andere Straßenseite, um nachzusehen, ob eines der Nachbarhäuser betroffen war. Sie sah eine Rauchwolke hinter der Häuserzeile an der nahegelegenen Hauptverkehrsstraße emporsteigen, also weit außerhalb unseres Gefahrenbereichs. Wenigstens eine gute Nachricht! Aber keiner von uns konnte jetzt in Ruhe zuhause sitzen bleiben und zur Tagesordnung übergehen. Wir mussten wissen, was passiert ist, wie schlimm es ist, wir mussten nachsehen. Obwohl der Anblick einer brennenden Wohnung für uns immer noch der absolute Horror ist, als wäre das alles erst gestern passiert, können wir nicht anders, als jedes Mal selbst nachzuschauen, was Sache ist. Ein Zwang, der sich nicht abstellen läßt.

Brand auf dem Parkplatz

In diesem Fall war er sogar gut. Denn tatsächlich war weder eine Wohnung noch ein Büro betroffen, diesmal brannten ein Auto sowie die Bäume und Sträucher, die in den letzten Wochen kaum Wasser gesehen hatten, auf dem daneben gelegenen Grünstreifen. Es war nicht zu erkennen, was zuerst gebrannt hatte. Laut Zeitungsbericht am nächsten Morgen war die Brandursache auch unklar.

August 2013

Brandstiftung

Brandgeruch als wir zum Arzt gingen. So fürchterlich. Und genau gegenüber von der Eingangstür zur Arztpraxis die halb verkohlte Eingangstür des Büros. Plötzlich ist es klar, der Zeitungsartikel mit dem Bürobrand bei uns in der Straße. Einbrecher hatten das Großraumbüro angezündet. Es handelt sich um eine Zeitarbeitfirma. Seltsames Verhalten, vielleicht ein ehemaliger Mitarbeiter oder so. Aber alles nur Spekulation, die Gedanken kreisen halt um diesen Geruch, diesen Anblick und wieder das Gefühl, dass es einen einfach nicht losläßt.

Juni 2013

Endless Run - Alptraum

Letzte Nacht um 03:42 Uhr wurde ich wach. Gerade noch rechtzeitig hatte mich jemand aus dem brennenden Gebäude geschickt. Leider weiß ich nicht, wer mein Retter war.

Irgendjemand rief meinen Namen wieder und wieder. Ich starrte aus dem Fenster und sah Flammen und Rauch, mein Name wurde eindringlicher und lauter gerufen. Ich griff, was in Reichweite auf meinem Bett lag: mein Smartphone und meine Brille. Dann lief ich aus dem Raum, unseren 10 m langen Flur entlang, am meinem unbekannten und gesichtslosen Retter vorbei, bekleidet mit einem T-Shirt und Boxershorts. Der Weg nach draußen dauerte lange, zu lange. Ich kam nie dort an.

Vergangene Nacht konnte ich lange nicht wieder einschlafen. Bei jedem Versuch ging es weiter, der endlose Run den Flur entlang, hinter mir das eigentümliche Knistern von Feuer und überall der dunkle Rauch mit dem typischen Geruch nach Wohnungsbrand, beißend und brennend in der Lunge. Einer dieser Träume, die man nicht sieht, sondern erlebt.

Und auch jetzt, fast 24 Stunden später, sind die Bilder und die Angst noch da und lassen mich nicht schlafen.

Juni 2011

Nicht schon wieder

Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Martin-Horn halten in unmittelbarer Nachbarschaft, geschäftiges Treiben in der Straße, dröhnen von Dieselmotoren, schwere Stiefel auf dem Asphalt und mitten drin schreit ein Kind nach seiner Mutter. Ein paar Häuser weiter brennt es. Wir können die Rauchwolken und die Flammen sehen.

Feuerwehr auf unserer Straße

Februar 2011

Gänsehaut

Es hört wohl wirklich nie auf. Natürlich führen wir ein ganz normales Leben, lediglich kurzzeitig unterbrochen durch die gelegentlichen Trigger. Ich weiß nicht, wie oft meine Tochter und ich, wenn wir auf dem Heimweg die Martinshörner eines Löschzuges hören, unwillkürlich schneller werden. Manchmal sind es “nur” RTW, Krankenwagen und Polizei, die eine kurze Anspannung auslösen, die sich mit dem Erkennen wieder legt. Wir brauchen nicht darüber zu sprechen, wir brauchen nicht einmal Blickkontakt, in solchen Momenten sind Denken und Fühlen gleich.

Wirklich schlimm ist es nach wie vor in den seltenen Momenten, in denen ein Löschzug an mir vorbeirauscht. So wie heute an der Fußgängerampel. Verharren, wie gelähmt, die Fahrzeuge reißen mich mit in einen Gedankensumpf, plötzlich ist alles wieder da. Anstrengend, dort wieder heraus zu kommen. Da steht man dann halt bis zur nächsten oder auch übernächsten Grünphase …

Juli 2009

Immer wieder

Mehr oder weniger regelmäßig brennt es in meiner Nachbarschaft: In Berlin drei Brände, einer schräg gegenüber meiner Wohnung, die beiden anderen auf dem fast täglichen Weg zum Supermarkt. Seit etwas mehr als einem Jahr wohnen wir jetzt wieder in Krefeld. In dieser Zeit hat es nun schon zum zweiten Mal ganz in der Nähe gebrannt. Nah genug um den Rauch zu sehen und zu riechen, die Flammen aufsteigen zu sehen und den Löschzug der Feuerwehr sehen zu müssen. Das alles setzt die Erinnerungen wieder in Gang. Hört das nie auf?

November 2005

Alle Jahre wieder …

Die dark*sche August-Tradition wurde auch in diesem Jahr wieder fortgesetzt. Diesmal hat es nicht bei mir oder meinem Nachbarn diesmal hat es gegenüber gebrannt. Heute Morgen kurz nach 08:00 Uhr weckte mich die Martinshörner der Einsatzfahrzeuge, ein Löschzug, mehrere Streifenwagen, Krankenwagen, der Notarzt und später noch die GASAG, der örtliche Gasanbieter, dringend erforderlich, da hier in der Straße alle Wohnungen mit Gas versorgt werden. Meine Tochter findet es fast unheimlich, dass es jedes Jahr kurz vor ihrem Geburtstag in ihrer Nähe brennt und mir fällt ein, dass ich dringend wieder eine Hausratversicherung abschließen muss.

August 2003

Wiederkehrender Alptraum

Schatzi und ihr Vater sind da und wir sitzen im Wohnzimmer, als die ältere Dame, die diese Bezeichnung gar nicht verdient hat, die Treppe herunter kommt, durch mein Wohnzimmer geht und das Haus verlässt. Der Vater schaut mich fragend an, aber ich verstehe es selbst nicht.

Ich gehe mit der Frau ins Schlafzimmer, wo das Bett meiner Großeltern steht. Wie selbstverständlich legt sie sich auf Großvaters Seite, nimmt den Aschenbecher vom Kopfteil des Bettes und zündet sich ungeschickt eine Zigarette an. Ich versuche ihr deutlich zu machen, wie unverschämt es ist, ungefragt mein Wohnzimmer zu betreten. Sie wälzt ihren ekligen, fetten, unförmigen, faltigen, in Dessous verpackten Körper in meinem Wasserbett und schmeißt mir die brennende Zigarettenschachtel zu. Ordinär grinst sie mich aus dem viel zu stark geschminkten Gesicht an: “Ich kann hier machen was ich will, Schätzchen! Mir gehört hier alles!” Ihre raue Whiskey-Stimme ist genauso eklig wie ihr Körper.

Wir sind auf dem Balkon, der eigentlich das Garagendach ist, und blicken auf den Flachbau gegenüber. Plötzlich kommt meine Tochter schreiend und weinend herausgerannt. Rauch quillt aus dem Schlafzimmerfenster.

Ich renne los, durch den Garten, in dem ich mich befinde, um zu retten, was eh nicht mehr zu retten ist. Ich renne und renne, komme aber nicht von der Stelle, mein Herz rast, die Luft ist heiß und klebrig, brennt in den Lungen. Die Augen tränen vom Rauch, der überall in der Luft ist. Blind habe ich das Gefühl zu ersticken und die Frau lacht dreckig hinter mir.

Juni 2002

Duplizität der Ereignisse

Mein Besuch sitzt am Rechner, ich bin mit meinem Laptop beschäftigt. “Hier riecht es, als ob jemand grillt.” Mit diesen Worten, die mein Besuch gerade von sich gibt, hat Schatzi vor fast genau einem Jahr, am 6. August 2000, den Brand bemerkt. Es stinkt bestialisch nach verbranntem Plastik. Erinnerungen werden wach.

Ich schaue aus dem Küchenfenster. Meine Vermietern ist im Garten und schreit mich an, ich soll sofort meine Wohnung verlassen. Oben am Fenster steht meine Tochter und weint hysterisch. Funken und Asche fliegen in unseren Garten, dunkle Rauchschwaden hängen in der Luft. Plötzlich knallt es wie von einer Explosion, der Boden zittert. Mein Besuch und ich überlegen, dass es wohl doch besser wäre, wenn wir die Wohnung verlassen, nehmen außer dem Schlüssel vorsichtshalber Papiere, Geld und Handys mit. Man weiß ja nie.

Wir gehen runter auf die Straße, wo uns das gleiche Szenario erwartete wie ein Jahr zuvor: die Straße abgesperrt, Schaulustige, Polizei, Krankenwagen, Feuerwehr; derselbe Geruch, dieselben Geräusche, dieselben entsetzten Gesichter, die gleiche Stimmung. Nein, nicht ganz die gleiche Stimmung. Diesmal waren unsere Nachbarn entsetzt und wir fast schon routiniert auf eine seltsame Art und Weise, eine Mischung aus “Wie gut, dass es uns diesmal nicht getroffen hat.” und “Wir wissen, was ihr gerade durchmacht.” Erleichterung und Mitgefühl seltsam vereint.

Ungläubig und doch irgendwie amüsiert zugleich, dass sich dasselbe Schauspiel nach knapp einem Jahr wiederholt, stehe ich da. Schatzi ist ziemlich fertig. Wir rufen dieselbe Freundin an wie letztes Jahr, bei der sie auch heute wieder übernachtet.

Die Erinnerungen des letzten Jahres stürzen auf mich ein. Ich habe alles noch vor Augen als wäre es gestern gewesen, es hat sich im wahrsten Sinne des Wortes eingebrannt.

Das Feuer hat mir nicht die Lust am Leben genommen, die war vorher schon eher mäßig, aber meine Träume, die sich buchstäblich in Rauch aufgelöst haben, alles was ich mir und um mich herum aufgebaut hatte und all die Folgen, die man heute noch spürt und auch die, die noch kommen. In der Zeit unmittelbar nach dem Brand habe ich mich von allen möglichen Leuten distanziert, mich von meinem Ehemann getrennt und sämtliche Kontakte auf ein Minimum beschränkt: meine Tochter und ihren Vater sowie J. Daran hat sich - von gelegentlichen Treffen mit Internet-Bekanntschaften abgesehen - nicht viel geändert und ich möchte daran auch nichts ändern.

Es sind nicht nur meine Möbel, es ist auch etwas in mir verbrannt.

Ich will mein altes Leben zurück.

August 2001

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