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Arbeiten wir zu viel oder zu wenig?

 ·  ☕ 3 Minuten zum Lesen  ·  ✍️ dark*

Juhu, wir haben endlich wieder ein Problem, das wir in ganz bequem in einen Generationenkonflikt umlenken können, um uns bloß nicht mit den Inhalten befassen zu müssen!

Irgendein junger Typ hat ein Video veröffentlicht, in dem er feststellt, dass ein Vollzeitjob eine ziemlich beschissene Art ist, den Tag zu verbringen. Er erzählt, wie lange er für die Arbeit von Zuhause weg ist, und sagt, dass es ja wohl nicht sein kann, dass ihm kaum Zeit zum Leben bleibt. Die Reaktionen in Presse, der Arbeitgeberwelt und so genannten sozialen Medien sind erwartbar. Generation “Irgendwas” (ich steige bei den Bezeichnungen nicht immer durch) sei zu faul zum Arbeiten, die hätten ja keine Ahnung und: Wir haben ja früher auch lange gearbeitet.

Also ja, das haben wir und manche von uns tun das sogar immer noch, das ist gar nicht so falsch. Grundfalsch ist aber, dass “wir” - ich bin immerhin schon Fiftysomething - das freiwillig oder ohne zu Murren oder am Ende sogar gerne gemacht hätten, schließlich sind auch Leute für bessere Arbeitsbedingungen und weniger Wochenarbeitsstunden auf die Straße gegangen. In den 70er und 80er Jahren gab es schon Anti-Arbeit-Sprüche in nahezu allen sozialen Schichten.

Arbeitskraft? Nein Danke!
(Sponti-Spruch in Anlehnung an Anti-Atomkraft-Aufkleber)

Wir hatten halt damals kein Internet, in dem wir den Rest der Welt daran teilhaben lassen konnten. Wir hatten Sprüche ausgedruckt auf Papier oder auf Postkarten etc. in Büros an den Wänden hängen oder als Deko-Element zuhause irgendwo. Sogar bei meinen (ziemlich spießigen) Großeltern hingen solche Sprüche und Bildchen an der Wand der Gästetoilette.

Mit Arbeit ist das so auf Erden:
Sie kann sehr leicht zum Laster werden.
Du kennst die Blumen nicht, die duften,
du kennst nur Arbeiten und schuften.
So gehen sie hin, die schönen Jahre,
bis endlich liegst du auf der Bahre.
Und hinter dir, da grinst der Tod:
Kaputt geackert, du Idiot!

Und auch mir war ziemlich schnell nach Ausbildungsbeginn klar, dass es ganz sicher nicht die Erfüllung meines Lebens ist, an fünf Tagen in der Woche von morgens bis abends werktätig in einem Büro zu sein. Und ich hatte einen guten Chef, der meine Arbeit wertschätzte und zu dem ich ein gutes Verhältnis hatte, angemessen distanziert aber auch locker - je nach Situtation.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mein Lebenslauf ist alles andere als linear, ich war oft arbeitsunfähig und/oder arbeitslos, habe mich wieder aufgerafft und in die nächste Tretmühle begeben, um irgendwann wieder zusammen- und/oder auszubrechen. Zuletzt Ende 2021, da habe ich meinen letzten Job geschmissen: Ab heute bin ich.

Ich bin zurzeit in der glücklichen Lage, nicht arbeiten zu müssen. Ich brauche das derzeit nicht um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten und grundsätzlich ganz sicher nicht für mein Selbstwertgefühl und habe meine Arbeitskraft dem Arbeitsmarkt daher komplett entzogen, weil ich einerseits einen echt miesen Chef und andererseits die Schnauze voll davon hatte, dass andere meinen Tagesablauf bestimmen und ich mir auf Kommando den Arsch aufreißen soll. Ich betreue lediglich eine Bildungs- und Jugendeinrichtung, ein Mädchenprojekt in Indien und eine Künstleragentur bei der Betreuung ihrer Webseiten. Damit verdiene ich kaum Geld, das ist mein Hobby und soziales Engagement.


dark*
geschrieben von
dark*
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