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Anstrengende Nachbarn

 ·  ☕ 5 Minuten zum Lesen  ·  ✍️ dark*

Normalerweise ist es bei uns totenstill nachts und wir schlafen immer mit offenem Fenster. Mitte Juni dieses Jahres hörten wir dann ein eigenartiges Rufen aus dem Hof, das wir uns nicht erklären konnten. Ich habe davon eine Aufnahme erstellt.

Nachfragen im Sozialen Netzwerk hat ergeben, dass es sich um eine Waldohreule handelt. Wow, wie spannend! Wir bekamen den Tipp, mal tagsüber nach denen zu suchen. Das versuchten wir auch aber leider ohne Erfolg. Im Hof hinter unserem Haus stehen Bäume, die höher sind als die fünfstöckigen Häuser. Da irgendwo oben ein Nest zu finden, ist ein aussichtsloses Unterfangen und bringt nur Nackenschmerzen.

Als weiterer Hinweis wurde uns genannt, dass man vielleicht bald die Jungtiere hören würde. Die hatten wir auch schon gehört, allerdings mit Jungtieren der Möwen verwechselt, die nämlich sehr ähnlich klingen - zumindest so lange man die Waldohreulen nur aus der Ferne hört. Als diese jedoch etwas mobiler wurden und auch schon von Baum zu Baum flatterten, beschloss eines der beiden Jungtiere, dass der Baum direkt vor unserem Schlafzimmerfenster ideal als nächtlicher Sitzplatz geeignet sei. Und fortan hörten wir Nacht für Nacht von der Dämmerung bis zum Morgengrauen das Schreien der Waldohreulen-Jungtiere. Auch das habe ich mal als MP3 aufgezeichnet.

Das kann einem durchaus den Schlaf rauben. Der Herr Lebensabschnittsgefährte hat sich Stöpsel in die Ohren gesteckt zum Schlafen, ich habe mich irgendwann an das Geschrei gewöhnt.

Wir sind auch mal abends runter, um die süßen Kleinen zu suchen. Und wir haben tatsächlich eine gefunden, allerdings war es schon zu dunkel für gute Photos, aber für ein Beweisphoto hat’s gereicht. Der Fundort war deutlich gekennzeichnet durch Vogelkot und Gewölle unterhalb des Baums.

Das nächtliche Geschrei hielt einige Wochen an, aber nachdem ich den Jungvogel einmal gesehen hatte, machte es mir noch weniger aus. Nachbarn hatten uns angesprochen, ob wir vielleicht wüssten, was das für Tiere sind, die da jede Nacht schreien, und waren ebenso fasziniert wie ich, dass bei uns auf dem Hof Eulen brüten. Wenn ich den Jungvogel bei Dunkelheit einmal nicht sofort hörte, fragte ich mich schon, ob sie vielleicht wieder verschwunden waren. Aber sie blieben uns noch bis in den August hinein erhalten.

Tagsüber schrien andere Nachbarskinder herum. Die Silbermöwen brüten ganz gerne auf den Flachdächern der Hochhäuser. Von dort haben sie einen guten Überblick und auch die Zahl der Fressfeinde am Nest ist überschaubar. Angriffe gibt es nur aus der Luft, Füchse und andere Säuger sind kein Problem und Menschen kommen da schon gar nicht hin. Etwas nervig sind die Möwenmütter, die ziemlich unentspannt sind. Die meckern den ganzen Tag herum und fliegen sogar Angriffsflüge auf mich, um mich zu verjagen, wenn ich den Kopf aus dem Schlafzimmerfenster strecke. Und die Jungvögel fangen an zu fiepen, sobald sie ihrer Eltern ansichtig werden. Ob sich da nur eine Möwe kümmert oder beide Eltern, habe ich noch nicht beobachten können. Ich kann Männchen und Weibchen bei den Silbermöwen nicht unterscheiden.

Ende Juni sitzt der Herr Lebensabschnittsgefährte im Arbeitszimmer am Rechner und sieht im Augenwinkel etwas vom Dach fallen, guckt hin und sieht noch, wie dieses etwas unten durch einen der kleine Bäume auf dem Parkplatz abgebremst wird und dann auf der Straße darunter landet, um dort erstmal völlig fertig liegen zu bleiben, sich dann aufzuraffen, zu schütteln und erstmal blöd umher zu gucken. Ein Nestflüchter. Der Mann ging nach Feierabend nach unten und hat die geknipst, die waren nämlich zu zweit. Und die sind sooo niedlich!

Mittlerweile sind auch die in alle Winde verstreut. Ab und zu sieht man eine Möwe am Himmel, verfolgt von einem bettelnden Jungtier, das nicht aufhört mit seinem Gefiepe. Vermutlich sind Möweneltern ganz froh, wenn sie die nervige Brut endlich los sind. Aber auch wenn das jetzt genervt klingt hier, ich finde die Vögel amüsant und ich mag sie gerne. Wenn wir unterwegs sind, vermisse ich die Möwen immer.

Jetzt haben wir neue Nachbarn. Vermutlich wohnen die auch schon länger da, aber wir haben jetzt erst gesicherte Kenntnisse: Über unserem Balkondach ist ein Wespennest.

Wir essen schon seit etwa zwei Wochen nicht mehr auf dem Balkon, da sind uns nämlich die ersten Wespen unangenehm aufgefallen. Das Essen war noch nicht ganz rausgetragen, da hockte schon die erste Wespe in meinem Salat und weitere Wespen waren im Anflug. Ich wunderte mich zwar, wo die so schnell herkamen, schließlich wohnen wir in der 5. Etage, da haben die einen gewissen Anreiseweg, verschwendete aber weiter keinen Gedanken daran. Im Spätsommer sind Wespen halt lästig.

In der Folge beobachtete ich immer wieder vom Küchfenster aus, dass ständig Wespen auf unser Balkondach flogen. Und am Wochenende haben wir nun endlich mal die Action-Kamera rausgekramt und gefilmt, was da oben los ist. Man erkennt’s ganz gut im Vollbildmodus.

Die Wohnen also im Lüftungsschlitz direkt über unserem Balkon. Das beantwortet mir auf einen Schlag einen Haufen Fragen, die sich in den letzten Wochen gestellt haben. Es sind schon lange keine Vögel mehr auf unserem Balkondach gelandet. Außerdem war mein Balkon einst voller Insekten, diverse Bienen-, Hummel- und Wespenarten, Schwebfliegen und etliches anderes Getier, aber plötzlich war es wie ausgestorben. Und natürlich erklärt das auch, warum die neulich beim Essen so schnell zur Stelle waren, die haben’s ja nicht weit.

So lange wir uns ohne Essen auf dem Balkon aufhalten, lassen sie uns in Ruhe. Der Sommer ist bald vorbei, da können wir die letzten Wochen auch noch darauf verzichten, auf dem Balkon zu essen, auch wenn’s manchmal schwerfällt. Und da Wespenvölker einjährig sind, dürften wir im nächsten Jahr wieder unsere Ruhe haben und uns wieder mit dem Geschrei der Nachbarkinder beschäftigen.

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