Als Schüler waren mir Elternsprechtage egal, als Mutter finde ich sie lästig. Heute war wieder einer. Während es sonst immer nur positiv war, habe ich diesmal die Quittung für die letzten Monate Kind-Vernachlässigung bekommen. Die Konzentrationsfähigkeit meiner Tochter hat nachgelassen. Das Feuer letztes Jahr und dann noch die Trennung von meinem Mann sind halt nicht spurlos an ihr vorbeigegangen. Aber sie spricht ja nicht darüber, frisst alles in sich rein.
Neulich gab es dann auch noch einen Vorfall im Unterricht. Sie sollte etwas vorlesen. Sie kann sehr gut lesen, liest auch gerne und hatte bisher noch nie Probleme damit. Aber an diesem Tag wollte sie nicht, hat sich schlichtweg geweigert. Im Anschluss an den Unterricht hat die Lehrerin sie dann zu sich gerufen um mit ihr darüber zu sprechen. Sie rückte nicht so richtig mit der Sprache heraus, aber in der Folgezeit ergab sich dann, dass diese Arbeitsverweigerung auf meinen Umzug in eine andere Stadt zurückzuführen ist. Ich muss noch einmal mit ihr darüber sprechen und ihr einiges diesbezüglich klarmachen, dass ich eben nicht völlig aus der Welt sein werde und so.
Auf dem Weg nach Hause sagte ich ganz beiläufig zu Codo: “Die ist manchmal wie ich.” Hätte ich das mal besser nicht gesagt. “Die ist genau wie du. Vieles weiß sie einfach, das muss man ihr gar nicht sagen und manchmal ist sie genauso komisch wie du. Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwas stimmt mit euch nicht. Dir hab ich es ja schon oft gesagt und Schatzi ist wie eine Kopie von Dir. Und neuerdings sagt sie auch oft, dass sie nicht leben möchte, dass sie lieber tot wäre, aber sie kann es nicht begründen, sagt es wäre halt einfach so.” Nach einer kurzen Pause meinte er noch: “Ich glaub, ihr braucht mal einen Exorzisten oder sowas in der Art.”
Ich habe mit ihr nie über solche Dinge gesprochen, nicht über Anderssein und auch nicht über Sterben. Ich frage mich nur, ob sie es merkt und das ihre Art ist das auszudrücken oder ob sie tatsächlich genauso fühlt. Letzteres wäre mehr als beschissen.