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Dermatologie-Crescendo

 ·  ☕ 5 Minuten zum Lesen  ·  ✍ dark*

Dermatologie war fĂŒr mich bisher 2-Optionen-Medizin: Salbe oder schneiden. Den Rest sollte ich in der vergangenen Woche kennenlernen.

Vermutlich hat jeder als Teenager irgendwann einmal davon getrĂ€umt, morgens aufzuwachen und wie ein Filmstar auszusehen. Vergangenen Mittwoch war es bei mir soweit: Um 06:00 Uhr morgens glotzte mich aus dem Badezimmerspiegel eine Mischung aus Sylvester Stallone mit geschwollener Rocky-Fresse und den TrĂ€nensĂ€cken von Kommissar Derrick, kombiniert mit den kaputt gespritzten Botox-Lippen von Donatella Versace an. Na super! Die HautĂ€rztin wĂŒrde nicht weniger begeistert sein.

Wider jede Vernunft aber zur Aufrechterhaltung von ein wenig WĂŒrde - und in Ahnung dessen, was mich erwartete - schleppte ich meinen geschundenen Körper unter die Dusche und mutete meiner ohnehin schon um Hilfe flehenden Haut Wasser und Shampoo zu, allerdings in eher homöopathischen Dosen. Dann schleppte ich mich zum Arzt.

Frau Doktor musterte mich besorgt: “Ihr Gesicht gefĂ€llt mir gar nicht.” Ach was. Alles andere hĂ€tte mich auch ernsthaft an ihrem Verstand zweifeln lassen. Es gefiel ihr allerdings so wenig, dass sie eine sofortige Einweisung in die Klinik anwies, wogegen ich jedoch heftigst protestierte. Ich wollte zumindest noch einmal nach Hause, Kind und Kater versorgt wissen und meine Tasche selbst packen. Außerdem hatte ich Hunger. Wir einigten uns darauf, dass ich noch in der Praxis eine Cortison-Spritze sowie eine Infusion bekam und anschließend noch einmal in meine Wohnung durfte. Nachdem ich gegessen und gepackt hatte, ließ ich mich widerstandslos von einer Bekannten in die Klinik fahren.

Dort angekommen war man ebenfalls besorgt. Allerdings hatte man auch logistische Probleme mit mir, da die Hautklinik hoffnungslos ĂŒberbelegt war. So musste man eine Alternative fĂŒr mich finden, weswegen ich als Gastlieger bei den Internisten in der Medizinischen Klinik, Bereich Kardiologie, landete. Dort hĂ€ngte man mich an einen Fenistil-Perfusor, injezierte mir erneut Cortison und ĂŒberließ mich den Rest des Tages meinem Schicksal.

Meine Zimmergenossinnen waren zwei Ă€ltere Damen, die die 70 schon seit vielen Jahren ĂŒberschritten hatten - mit den entsprechenden Problemen. Die eine mit Demenez im Anfangsstadium etwas anstrengend, die andere Dank Makumar ein Bluter und sah aus, als wĂ€re sie vom Bus ĂŒberfahren worden. Aber alles in allem sind meine Omis ganz nett und knuffig und jammern vor allem nicht.

Der Nachmittagsdienst im Krankenhaus war fest in den HĂ€nden des (vermutlich preisgĂŒnstigeren) osteuropĂ€ischen Pflegepersonals. Olga erschien auf der BildflĂ€che. Sie wollte Details ĂŒber meine Schlaf- und Essgewohnheiten wissen und notierte die Telefphonnummer eines nahen Angehörigen. Meine Tochter wurde blass ob dieser Routine. Olga wirkte auch etwas mĂŒrrisch, erledigte alles mit Standard-Phrasen und verschwendete nicht mehr Worte als zwingend nötig. Sprachprobleme und die russische MentalitĂ€t traten hier zu Tage. Olga wirkte, als liefe sie auf Autopilot.

Quaddeln und Schwellungen gingen im Laufe des ersten Tages angesichts der Menge von mittlerweile 250 mg Cortison, die ich intus hatte, zurĂŒck, um am nĂ€chsten Tag genauso eklig wiederzukommen. Wir konterten mit weiteren AtomschlĂ€gen in Form von Cortison und erhöhten die Fenistil-Menge auf acht Ampullen tĂ€glich. Zwei Tage zeigte sich mein Körper noch von seiner hĂ€sslichen, wehrhaften Seite, bis er Freitagnachmittag endlich kapitulierte.

Am Samstagmorgen um 07:00 Uhr betrat Olga das Krankenzimmer. “Frau dark*, warum liegen Sie denn so hoch?” Noch bevor ich meinem schlaftrunkenen Hirn eine Antwort entlocken konnte, machte es: “Sssst!”, und mein Bett war tiefergelegt. Ich verdrehte die Augen, empfing mein Cortison und wartete, bis der Autopilot Olga aus dem Zimmer dirigiert hatte. “Ich liege hoch, weil ich gerne hoch liege”, grummelte ich vor mich hin, wĂ€hrend ich mĂŒhsam von meiner nun in BodennĂ€he gelegenen Schlafstatt torkelte und mit halboffenen Augen die Technik des Krankenhausbettes inspizierte. Ich fuhr mein Bett wieder hoch, kroch hinein und döste noch ein wenig.

Der Schlummer hielt allerdings nicht lange an. Ich klingelte Olga erneut herbei. Der Venenzugang schmerzte wieder einmal höllisch! Es war bereits der Dritte, tĂ€glich ein neuer. Olga befreite mich von dem LĂ€stling in der rechten Armbeuge und informierte einen Arzt. GrundgĂŒtiger! Statt den nĂ€chstbesten Doc hier im Haus zu bitten, forderte man tatsĂ€chlich jemanden von der Dermatologie an, um einen Zugang zu legen!

Mir war das ganz recht, ich nutzte meine gewonnene Freiheit, um zu duschen, mein NachtkĂ€stchen aufzurĂ€umen, zu frĂŒhstĂŒcken und ohne M4 eine Rauchen zu gehen. Herrlich!

Nach drei Stunden schwoll jedoch mein Gesicht wieder an. Da sich noch kein Doc hatte blicken lassen, schaltete Olga den Autopiloten ab und erbarmte sich meiner. Sie legte den Zugang. Und sie legte ihn nahezu perfekt - Sieht man einmal davon ab, dass er die Ameisen, die seit dem Bandscheibenvorfall in meinem Arm zu leben scheinen, zum Dauereinsatz mobilisierte. Aber das kann man wohl kaum Olga anlasten. Ihr Zugang hielt bis Montag. Und das war doppelt so lange wie die VorgÀnger!

Am Wochenende sammelte Olga außerdem noch mehr Bonuspunkte: Nach meinem Gequengel am Samstag, wann es denn Kaffee gĂ€be, kam sie Sonntag und Montag kurz in unser Zimmer, um mir mitzuteilen, dass sie soeben den Kaffee auf dem Gang bereit gestellt hĂ€tte und ich mir welchen holen könnte. Zwei Daumen hoch fĂŒr Olga!

Am Montag durfte ich dann wieder nach Hause gehen. Soweit der Kollateralschaden, jetzt widme ich mich wieder dem Hauptproblem, das in den letzten Tagen lĂ€cherlich klein wirkte, aber dennoch allgegenwĂ€rtig war und ist: meinem Bandscheibenvorfall und dem daraus resultierenden kribbelnden Arm mit den drei Milionen Ameisen …

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