Sechs Woche ist es mittlerweile her, dass ich durch apokalyptischen Schmerzen äußerst unsanft aus wirren Träumen gerissen wurde. Immerhin war es 04:37 Uhr, eine legitime Zeit, um die Nacht zu beenden.
In meiner Küche stand der Gehörnte mit dem Pferdefuß mich hämisch angrinsend vor der Hausapotheke. Augenscheinlich war er dafür verantwortlich, dass sich alle 23 Bandscheiben gleichzeitig auf mein Rückenmark zu stürzen schienen. Mühsam erhob ich mich von meiner Lagerstatt und richtete mich laut knacksend so gut es ging auf. Meine Körperhaltung entsprach zwar eher der evolutionären Vorstufe des aufrecht gehenden Menschen, aber was soll’s, man wird ja bescheiden als Fourtysomething.
Unsicheren Ganges wankte ich in die Küche und jagte den Teufel in seine Hölle zurück. Dies hier war meine und da wollte ich bitteschön alleine leiden. Mit letzter Kraft drückte ich den Knopf der Senseo, bevor ich mich an die Inventur der Hausapotheke machte. Die Reisetabletten und das Eisenpräparat meines Anämie-Kindes warf ich ebenso achtlos zur Seite wie die Vomex-Zäpfchen. Wer zur Hölle hat die eigentlich gekauft? Auch das Anti-Floh-Mittel half mir nicht weiter. Übrig blieben Grippostad, Dolormin für Frauen und Aspirin sowie Mobilat. Aber das hier war keine Salbennummer, das saß tiefer und musste von innen heraus bekämpft oder wenigstens eingedämmt werden.
Das Paracetamol (Grippostad) schied aus. Ich horchte kurz in mich, ob die Schmerzen nun eher denen von Schädelbrummen (Aspirin) oder Menstruationsbeschwerden (Dolormin für Frauen) erinnerten. Lokal irgendwo dazwischen und gefühlt alles zusammen mit Zehnerpotenz (mindestens!) spülte ich zwei Dolormin mit einem Glas Aspirin runter.
Die Medikamentenausgabe war beendet, ich brauchte Coffein und Nikotin. Während beides mich einigermaßen beruhigte, tat sich ein neues Problem auf: Was tun? Mein morgendliches Ritual, am PC sitzen und Nachrichten lesen, war unmöglich. Länger als ein paar Minuten sitzen ging gar nicht, so räumte ich meine Wohnung auf, langsam aber beständig, stets in Bewegung bleiben, hier einmal strecken, da einmal den Rücken knacksen lassen. Grundgütiger, das war eine ernste Angelegenheit!
Als um 07:00 Uhr endlich das Anämie-Kind aus dem Haus war, ging ich duschen, zog mich an und fuhr mangels besserer Alternative ins Büro. Unterwegs kehrte ich in eine der zahlreichen Innenstadtapotheken ein, um mir Voltaren zu besorgen. Im Büro nahm ich sechs Stück davon und eine Zigarettenlänge später war ich endlich halbwegs ansprechbar und einsatzbereit. Der Auditoren-Termin zum QMS stand bevor, krank feiern war ausgeschlossen, ich musste funktionieren.
In den folgenden vier Tagen futterte ich insgesamt 60 Voltaren, dann stieg ich auf Ibuprofen um. Dabei wechselte ich ständig die Apotheke, um mich blöden Blicken und Fragen zu entziehen. Das hat etwas Erniedrigendes, einem Abhängigen gleich, der sich seinen Stoff heimlich besorgt und versteckt. Und ich hatte nach einer Woche das Gefühl, nur noch aus Chemie zu bestehen. Ekelhaft.
Aber es stand ja der Termin an und bis dahin musste ich durchhalten, stets von der Hoffnung beseelt, es handle sich um eine psychosomatische Verspannung meiner Rückenmuskulatur. Der Termin lief glatt, alles war super, eine mords Last wurde von meinen Schultern genommen. Was blieb, war der mörderische Schmerz und so fand ich mich am Morgen nach dem Gutachtertermin im Wartezimmer der Praxis eines Chirurgen-/Orthopäden-Teams wieder.
10 in den Rücken, die 11. war für’n Arsch!
“Geht’s Ihnen gut?” Mir könnte es nach 10 Injektionen in den Rücken kaum besser gehen. Mein linker Trapezmuskel war steinhart und reagierte entsprechend empfindlich auf diese Drangsalierung. Doch dann … wirkte das Lidocain. Ich war endlich mal wieder nahezu schmerzfrei und beweglich! Und ich war krank geschrieben.
Zuhause angekommen nutzte ich diesen Zustand aus, um meine Wohnung auf Vordermann zu bringen. Staubsaugen war dringend notwendig, putzen ebenso. Ich fühlte mich großartig. Allerdings wurde dies kein Dauerzustand. Bei der Kontrolluntersuchung bekam ich erneut eine Spritze sowie Tetrazepam verschrieben. Mittlerweile wurde der Schmerz aber von einem anderen, nicht zu ignorierenden Problem, abgelöst:
Gefühlte drei Millionen Ameisen im Arm
Und die rennen emsig den ganzen Tag hin und her. Im Sitzen wird es schlimmer, ebenso bei bestimmten Bewegungen oder unter Belastung. Na Bravo! Wie wird man die wieder los?
Die Ärzte schickten mich zum MRT, dort wurde der Bandscheibenvorfall diagnostiziert. Mir war das bereits klar, als ich in der Röhre lag. Man fühlt das. Außerdem schickten sie mich zum Neurologen, der ermitteln sollte, ob möglicherweise ein anderes Problem (Karpaltunnelsyndron) als die Bandscheibe den Ameisenhaufen mobilisiert hat. Ich hätte mir den Gang sparen können, ich wusste, dass es nicht so ist. Aber die heutigen Ärzte diagnostizieren ja bedauerlicherweise nicht mehr, sie verlassen sich nur noch auf teure Gerätschaften, Bildgebungsverfahren und Messwerte. Als wäre der menschliche Körper lediglich die Summe seiner Teile.
Ein Termin beim Neurologen ist fast so schwer zu bekommen wie ein Sechser im Lotto. So hieß es zwei Wochen warten und Tabletten schlucken, mit dem bereits bekannten Ergebnis. Erwartungsgemäß lief die Untersuchung auf ein negatives Ergebnis heraus. Der Neurologe ist davon überzeugt, dass meine Probleme durch den Bandscheibenkern verursacht werden, die Messung bestätigte dies.
Nun gibt es Krankengymnastik und die Hoffnung, bald wieder einigermaßen hergestellt zu sein. Meinem desolaten Rücken schadet ein wenig Gymnastik sicherlich nicht. Zugegebenermaßen bin ich in den letzten Jahren eher unsportlich geworden und das ständige Sitzen vor dem PC ist alles andere als förderlich für eine gesunde Wirbelsäule.