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darkinchen on drugs

 ·  ☕ 4 Minuten zum Lesen  ·  ✍️ dark*

Ein Leben ohne medizinische Eingriffe ist im Hause dark* nur schwer vorstellbar. Dieses Mal war das darkinchen wieder dran, das sich seit zwei Monaten schon mit Magenschmerzen und Sodbrennen plagt. Der Gynäkologin, die daraus eine Laktoseintoleranz kreieren wollte, legte ich nahe, doch bei ihrem Fachgebiet zu bleiben, über die von ihr betreuten Körperöffnungen gelangt man schließlich nicht in den Magen, und schickte das Kind erstmal zum Hausarzt. Dieser ging mit meiner Ausschluss-Diagnose konform und hielt ebenfalls eine Magenschleimhautentzündung für eher unwahrscheinlich. Herr Dr. Ratlos ordnete eine Magenspiegelung an.

Am Montag war es soweit. Eigentlich hatte sie den Termin um 12:30 Uhr, aber da eine der Arzthelferinnen am Freitag noch einmal bei mir anrief, um daran zu erinnern, dass wir um kurz vor 12 Uhr bereits da sein sollten, damit es auch pünktlich losginge, saßen wir um 11:45 Uhr im Taxi. In der Praxis angekommen, sank die Laune dann auf den absoluten Tiefpunkt, zumal das Wartezimmer brechend voll war. Glücklicherweise hatte ich mein Smartphone dabei, das zwar keinen Kontakt zur Außenwelt hatte, aber uns wenigstens die Zeit mit Angry Birds vertrieb. Um 13:10 Uhr wurden wir endlich aufgerufen.

Im Behandlungsraum angekommen, begann sofort des Dramas erster Akt. Mein Fräulein Tochter setzte sich auf die Liege und betrachtete den Wagen mit den Instrumenten für das bevorstehende Ereignis, deutete mit dem Finger darauf und jaulte etwas, das nicht zu verstehen war, da ihre Worte im Heulen untergingen. Als nächstes sprang sie von der Liege und erklärt, die Untersuchung nicht durchführen zu lassen. Ich verließ den Raum und ließ die Diva die Situation mit der bedauernswerten Arzthelferin ausdiskutieren. Wenige Minuten später holte man mich wieder dazu. Die Diva hatte ein Einsehen und saß wieder auf der Liege, der Arzt betrat die Szene. Er stellte sich kurz vor, erklärte, was zu tun ist und dass es nicht lange dauern würde, dann legte er los. Arm abbinden, die Arzthelferin reicht die Spritze und bei mir setzt derselbe Effekt ein, wie vor ein paar Jahren, als darkinchens Weisheitszähne unter Vollnarkose gezogen wurden: In dem Moment, wo das Medikament in die Vene läuft, laufe ich Gefahr, in psychosomatische Narkose zu fallen. :-)

Leider durfte ich nicht im Raum bleiben, um mir den Magen meiner Tochter von innen anzugucken. Ich wartete vor dem Behandlungszimmer, wo zwei alte Männer saßen, die mich in ihre Stammtischphilosophie über die Gesundheitsreform einbezogen. Glücklicherweise ist der menschliche Magen nicht allzu groß, sodass die Untersuchung nach fünf Minuten bereits beendet war. Der Arzt - sehr in Eile - entriss mich den beiden Hobbyphilosophen und schliff mich im Galopp in sein Büro, wo er mich kurz über das Ergebnis aufklärte. Danach durfte ich weiter philosophieren, ich hatte nicht viel verpasst. Es dauerte auch nicht lange, bis ich in den Aufwachraum gerufen wurde.

Der Aufwachraum hat den Charme einer Gefängniszelle. Er ist ca. 2 x 3 m groß, beinhaltet eine Liege, einen Kleiderhaken, ein winziges Waschbecken, eine Toilette und zwei Türen (eine zum Behandlungsraum, eine zum Flur). Es gibt nicht einmal einen Hocker für Begleitpersonen, dafür ein Gitter am Bett, das meine Tochter vor unerwartetem Kontakt mit den Bodenfliesen bewahrte.

Auf der Liege regte sich etwas und jaulte unverständliches Zeug. Noch völlig benebelt und außerdem heulend lallte sie die Frage, ob es nun vorbei sei, die ich brav beantwortete. Dank Dormicum vergaß sie dies allerdings sofort wieder und fragte erneut. Dieses Spiel setzte sich in den nächsten 30 Minuten fort, wurde jedoch im 5-Minuten-Takt um eine Frage erweitert. Dormicum-Patienten sind sehr anstrengend.

“Ist es vorbei?”

“Ja.”

“Muss ich nochmal?”

“Nein.”

“Hab ich was Schlimmes?”

“Nein, nur eine leichte Entzündung der Magenschleimhaut und der Speiseröhre.”

“Kann ich Sport machen?”

“Ja.”

Die Frage nach dem Sport hat mich beim ersten Mal etwas verwirrt, muss ich zugeben, tauchte aber in jeder Runde wieder auf. Warum das in dieser Situation so wahnsinnig wichtig war, ist mir bis heute unklar.

Während der zweiten Frage-Antwort-Runde glitt ihr Blick von ihrer rechten Hand den Unterarm entlang bis zum Ellbogen, in dessen Beuge ein Pflaster auf der Injektionseinstichstelle klebte. Sie erblickte das Pflaster, zeigte mit dem linken Zeigefinger drauf, brachte gerade noch ein piepsiges “Aua!” raus und brach in Tränen aus. Ich hoffe, mein lautes Lachen war im Behandlungszimmer nicht zu hören.

Die eine oder andere Frage-Antwort-Runde erstickte ich im Keim, indem ich die Antworten bereits nach der ersten Frage runterleierte. Irgendwann drang endlich so etwas wie Bewusstsein in das vernebelte Hirn meiner Tochter, sodass sie wissen wollte, ob sie die Fragen etwa schon einmal gestellt habe. “Joa, acht oder neun Mal.”

Bald durften wir in den Ruheraum umziehen, so sie langsam aber sicher wieder einen klaren Kopf bekam und die ersten wackeligen Schritte unternahm. Dann kam der Hunger! Mittlerweile war es weit nach 14 Uhr und das darkinchen hatte noch nichts gegessen oder getrunken. Der Hunger machte mobil, sie wankte ein paarmal von der Liege zum Fenster und zurück. Als die Schritte sicherer wurden, durften wir endlich gehen.

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