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Blutbäder

 ·  ☕ 4 Minuten zum Lesen  ·  ✍️ dark*

Das erste Blutbad ereignete sich vor etwa drei Wochen, an diesem Abend übernachteten zwei Freundinnen von Schatzi bei uns. Eine halbe Stunde nachdem ich die gackernden und kichernden Hühner endlich in mein Bett verfrachtet hatte, hörte ich das hysterische Quietschen meiner Tochter, das auf eine Verletzung hindeutete. Dann war es totenstill im Schlafzimmer bis jemand auf den Lichtschalter haute und die Tür geöffnet wurde. Vor mir stand Schatzi, sich die Hände vor das Gesicht haltend, zwischen den Fingern quoll Blut hervor. Ach du Scheiße! In dem Moment, wo sie meiner ansichtig wurde, begann sie auch schon zu heulen und zu schluchzen und unverständliches Zeug zu stammeln.

Im Befehlston verlangte ich von ihr, die Hände vom Gesicht wegzunehmen, sich hinzusetzen und mir möglichst verständlich zu schildern, was denn überhaupt passiert ist. Sturzbäche von Blut liefen aus ihrer Nase. Grundgütiger Himmel! Ich schmiss meinen Mitbewohner aus dem Bett, da ich keine Ahnung habe, was bei Nasenbluten idealerweise zu tun ist. So versorgte dieser das arme Kind mit Tüchern, während ich das Blut von Boden, Lichtschalter, Tür und Bett wegwischte. Es sah aus, als wäre jemand abgestochen worden.

Weder aus dem heulenden Kind, noch aus den beiden Freundinnen, die viel zu sehr damit beschäftigt waren, auf der Bettkante zu sitzen und betreten dreinzublicken, war eine plausible Erklärung rauszubekommen, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Ein weiteres, viel größeres Problem war die Frage, was denn nun bei Nasenbluten zu tun sei. Kopf nach hinten oder nach vorne? Wir waren überfragt, mussten – um das Kind nicht noch mehr zu beunruhigen – vollkommene Selbstsicherheit bei totalem Unwissen vortäuschen und entschieden uns für vorne und kaltes Tuch in den Nacken, darüber hinaus eine Dauerversorgung mit Taschentüchern zum Auffangen des Blutes.

Irgendwann war dann doch noch aus dem personifizierten schlechten Gewissen auf dem Bett herauszubekommen, dass Schatzi versehentlich die Ferse des einen Mädchens voll auf die Nase bekommen hatte. Also galt es auch noch die Nase abzutasten und genauer in Augenschein zu nehmen, ob da vielleicht ein Bruch vorliegen könnte, der sich durch eine Schwellung und Blaufärbung zu erkennen gibt. Dies war aber nicht der Fall. Wenigstens etwas! Jetzt blieb nur noch abzuwarten, bis dieses Bluten endlich nachließ, außerdem das Weibervolk zu beruhigen.

Ich erzählte ihnen einen Schwank aus meiner Kindheit, wie wir einmal in einer Gruppe von vier oder fünf Kindern versuchten, uns gegenseitig die Nasen blutig zu hauen, weil wir das damals so ultracool fanden. Leider hat es bei mir nicht geklappt. Ich hatte noch nie Nasenbluten.

Nach zehn Minuten ließ die Blutung endlich nach. Die Nase war zwar etwas dick, aber weder bunt noch schief. Also schickte ich die Mädchen zurück ins Bett.

Das zweite Blutbad ereignete sich gestern. Die selben drei Hühner waren angesichts des schönen Wetters draußen auf dem Spielplatz, wo sie mit ein paar Jungs aus ihrer Klasse rumtobten. Um kurz vor Vier Uhr klingelten sie bei uns, schockierte Gesichter und eine der Freundinnen hielt sich zitternd das rechte Handgelenk fest, das voller Blut war als hätte sie versucht sich die Pulsadern aufzuschneiden, mühsam die Tränen unterdrückend.

Natürlich forderte ich sie ohne Zögern auf, hereinzukommen und sich hinzusetzen. Dann sah ich mir das Handgelenk genauer an und versuchte aus der zusammenhanglosen Erklärung mir ein Bild zu machen, wie es dazu gekommen sein kann. Restlos klar ist mir das immer noch nicht (und dies zu klären überlasse ich auch lieber den Eltern), auf jeden Fall ist sie durch irgendeine Glasscheibe gegangen.

Nachdem ich das Taschentuch entfernt hatte, welches das Mädchen auf die Wunde hielt, sah ich etwa vier oder fünf Schnitte von jeweils einem Zentimeter Länge, drei davon sehr tief und stark blutend. Meine Tochter, die mit Begeisterung jeden Sonntag Notruf auf RTL guckt, hatte versucht den Arm abzubinden um zu verhindern, dass ihre Freundin verblutet. Die drei glaubten nämlich die Schlagader sei getroffen worden, was jedoch nicht der Fall war. Ich löste also auch noch die Schnur, mit welcher der Arm mehr oder weniger abgebunden war. Anschließend säuberte und desinfizierte ich die Wunden, untersuchte sie nach möglichen Glassplittern und legte einen Verband an. Eine halbe Stunde später wurde sie von ihrer telephonisch informierten Mutter abgeholt und beim Arzt vorgestellt, der aber nicht Schlimmeres feststellen konnte.

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